Mittwoch, den 12. März 2014, veröffentlicht auf Geolitico
Brüssels Zentralismus und die damit einhergehende Planwirtschaft
sind auf Island nicht attraktiv. Eher schon Hayeks Idee einer
wettbewerblichen Geldordnung, schreiben Dagmar Metzger, Alexander
Gauland und Steffen Schäfer in der Reihe “FREITAGSGEDANKEN”.
Nachdem
schon die Schweiz die leidenschaftliche Zuneigung der EU verschmäht hat
- so zumindest dürfte die Zuwanderungsentscheidung der Eidgenossen in
Brüssel empfunden worden sein - gaben nun auch noch die Isländer der
europäischen Union einen Korb. Die neu gewählte Regierung in Reykjavík
hat beschlossen, die Beitrittsverhandlungen endgültig aufzugeben,
nachdem sie bereits mit der Verkündung von Neuwahlen seit Mai 2013 auf
Eis gelegt waren. Dabei schien noch vor wenigen Jahren alles daraufhin
zu deuten, dass Island der EU beitreten werde. Auf dem Höhepunkt der
isländischen Krise im Juli 2009 schrieb die deutsche Wochenzeitung Die Zeit: „Nur der Euro kann das bankrotte Land noch retten“ - so ändern sich die Zeiten.
Die Haltung der Isländer ist gut nachzuvollziehen.
Die Auseinandersetzungen mit der EU, insbesondere mit Großbritannien und
den Niederlanden, als Folge der Islandkrise hängen nach. Die Briten und
Holländer wollten damals die im Zuge der Pleiten von Kaupthing und Co.
entstandenen Verluste ihrer Anleger den Isländern aufs Auge drücken.
Diese fürchteten nun wohl nicht ganz unbegründet, dass im Fall einer
EU-Mitgliedschaft über die Hintertür versucht würde, zumindest noch
einen Teil jener Verluste zu Lasten der Isländer zu sozialisieren. Zudem
ist die Fischereination Island sicherlich nicht sehr erpicht darauf,
sich von der Union die Fangquoten vorschreiben zu lassen. Dass die neue
Regierung den Entschluss nun ohne die eigentlich versprochene
Volksabstimmung fällte, ist dabei zweifelsohne ein Schönheitsfehler,
allerdings fiel die Wahl zugunsten der EU-skeptischen Koalitionspartner
doch recht deutlich aus. Insofern und angesichts nach wie vor knapper
Kassen könne man sich die Abstimmung sparen, so dachte man wohl in
Reykjavík.
Mehr als heiße Quellen und Vulkane
Generelle Gegner der EU sehen sich in ihrer totalen Ablehnung nun ein
weiteres Mal bestätigt und jubeln. Dabei übersehen sie zum einen, dass
die Grundideen des gemeinsamen europäischen Marktes keineswegs schlecht
sind - die vier Freiheiten (Kapital-, Waren-, Dienstleistungs- und
Personenfreizügigkeit) haben den Wohlstand aller Staaten innerhalb der
EU befördert. Vor allem aber verkennen sie, dass die EU nicht morgen
oder übermorgen verschwinden wird. Die Persistenz gerade so großer und
komplexer Gebilde ist hoch. So gesehen wäre es viel erstrebenswerter,
die EU wieder auf den Pfad der wirtschaftlichen und politischen Vernunft
zurückzuführen anstatt auf einen vollständigen Zusammenbruch der Union
zu hoffen.
Aus dieser Perspektive ist die Entscheidung der Isländer bedauerlich.
Denn anders als die meisten Beitrittskandidaten der letzten zehn Jahre
ist Island eine voll entwickelte Volkswirtschaft. Dank heißer Quellen
und Vulkane ist es mit günstiger Energie gesegnet und somit für
energieintensive Unternehmungen sehr attraktiv. Betrachtet man das
kaufkraftbereinigte BIP pro Einwohner, dann würde Island innerhalb der
EU den vierten Platz hinter Österreich, den Niederlanden und Irland
belegen. Anders als die meisten wirtschaftlich starken EU-Mitglieder
verzeichnet die Insel im hohen Norden ein Bevölkerungswachstum und die
demographische Entwicklung ist ebenfalls weitaus positiver als die der
EU.
Strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen
Sicher, Island ist ein kleines Land und die etwas mehr als 300.000
Einwohner sind nun wirklich nicht viel im Vergleich zu den rund 500
Millionen der EU. Insofern wäre der isländische Einfluss innerhalb der
EU vermutlich gering gewesen. Und doch hätte das Land den verkrusteten
Brüssler Strukturen vielleicht wieder frisches Blut bzw. frische
Gedanken einimpfen können.
Denn die Insulaner haben während ihrer Wirtschaftkrise ab 2009 gezeigt, dass
es andere und vor allem erfolgreichere Ansätze gibt als die durch
Brüssel und Berlin propagierte „alternativlose“ Rettung privater
Investoren auf Kosten der Steuerzahler. Statt also immer neue
Milliarden in die marode Banken zu pumpen, setzte man in Island auf
Bankinsolvenzen, Schuldenschnitte und eine drastische Beschneidung der
Bankenmacht. Sogar die strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung der
Verantwortlichen war am Rande des Polarkreises möglich.
Unerschütterlicher Glauben an Eigenverantwortung
Inzwischen wächst die Wirtschaft wieder, die Arbeitslosenquote sinkt und
in wenigen Jahren dürfte die Krise vollständig überwunden sein - welch ein Gegensatz ist dazu die Situation in Griechenland und den übrigen EU-Krisenländern.
Die besondere Pointe dabei ist, dass es das isländische Volk selbst war
(unterstützt von einem unbeugsamen Präsidenten), welches die Politik
dazu zwang, vom herkömmlichen Weg abzuweichen. Von dieser vitalen Kraft
der Isländer und ihrem unerschütterlichen Glauben an Eigenverantwortung
hätte die EU profitieren können.
Jetzt gehen die Isländer ihren eigenen Weg - auch in Sachen Geld.
Wurde lange Zeit die Zugehörigkeit zur Eurozone als bestes Mittel gegen
Inflation und starke Währungsschwankungen angesehen (siehe das obige
Zeit-Zitat), so dürfte die anhaltende Krise der Gemeinschaftswährung
maßgeblich dazu beigetragen haben, dass die Isländer nun ein geradezu
revolutionäres Projekt wagen: Als erster Staat wollen sie beginnen, die
von Friedrich August von Hayek stammende Idee einer wettbewerblichen
Geldordnung umzusetzen.
Kryptowährung Auroracoin
Am 25. März 2014 wird jeder Isländer 31,8 Einheiten der Kryptowährung „Auroracoin“ erhalten.
Die Parallelwährung, die frei von staatlichem Einfluss ist und ohne
Zentralbank auskommt, soll dazu beitragen, die wirtschaftliche Erholung
des Landes zu beschleunigen. Eine durchaus attraktive Idee, die bei
Erfolg auch auf die Krisenländer der EU übertragen werden könnte, falls
sich dort jemals die Erkenntnis durchsetzten sollte, dass die
Hauptursache der Krise der Euro selbst ist.
Nach den Schweizern senden nun also die Isländer ein weiteres, starkes
Signal nach Brüssel: Zentralismus, Planwirtschaft und die Sozialisierung
von Verlusten sind nicht attraktiv. Ob die Signale allerdings von der
sozialistischen Internationale in Brüssel gehört werden, muss man leider
bezweifeln. Wahrscheinlicher ist wohl, dass die EU bei der nächsten
Verhandlungsrunde bezüglich Fischereiquoten oder ähnlichem wieder die
Daumenschrauben hervorholt. Durch gewalttätige Drohungen aber wird ein
verschmähter Liebhaber auch nicht attraktiver.
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