Drei Jahre Haft für falsch ausgefülltes Formular

Samstag, den 29. März 2014, Quelle: faz.net
      
Weil der österreichische Journalist Stephan Templ auf einem Formular seine Tante als mögliche Erbin in einem Restitutionsverfahren nicht angegeben hat, wurde er zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Das Urteil wurde nun bestätigt.
 
Wann haben Sie davon erfahren, dass der oberste Gerichtshof Ihre Nichtigkeitsbeschwerde abgelehnt hat?

Vor ungefähr einer Woche. Und dann kamen am Freitag noch schlechtere Nachrichten: Schon ab 5. April soll ich mich bereithalten, ins Gefängnis zu gehen - für drei Jahre ohne Bewährung.

Was ist Ihnen da durch den Kopf gegangen?

Ich war geschockt, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich konnte nicht glauben, dass der oberste Gerichtshof ein derartiges Fehlurteil durchgehen lässt. Das Schlimme ist: Mir bleiben nun keine Rechtsmittel, um diese Entscheidung anzufechten.

Uli Hoeneß muss dreieinhalb Jahre in Haft, weil er mehr als 27 Millionen Euro Steuern hinterzogen hat. In Ihrem Fall geht es um einen Bruchteil dieser Summe - und trotzdem sollen Sie fast ebenso lange ins Gefängnis.

Aber der Staat hat doch durch mein angebliches Verbrechen gar keinen Schaden genommen! Das ist ja das Unglaubliche an diesem Urteil. Es geht um einen Erbteil an einer restituierten Immobilie. Dieses Vierundzwanzigstel an einem Haus, das 1938 von den Nationalsozialisten enteignet wurde, will die österreichische Republik jetzt für sich beanspruchen? Dann muss sie die Nürnberger Rassegesetze wiedereinführen, den betreffenden Erbteil des Sanatoriums Fürth erneut arisieren und den Juden ins Gefängnis werfen - wie damals beim sogenannten Anschluss.

Insgesamt hat es im Fall des Sanatoriums Fürth mehr als dreißig Anspruchsberechtigte gegeben, deren Anträgen stattgegeben wurde. Alle haben das gleiche Formular ausfüllen müssen wie Sie, in dem auf der vorletzten Seite nach „anderen möglichen Erben“ gefragt wurde. Sie haben dort niemanden angegeben. Was haben die anderen Erben getan?

Die haben auch keinen genannt! Niemand hat irgendeinen anderen angegeben. Aber im Gegensatz zu mir wurde keiner der anderen Erben angeklagt, geschweige denn zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Das ist auch völlig undenkbar, weil keine gesetzliche Verpflichtung besteht, weitere Erben zu nennen.

Wie erklären Sie sich dann den Verlauf des Verfahrens gegen Sie?

Mittlerweile glaube ich: Das ist ein Rachefeldzug gegen mich. Am Anfang habe ich das nicht wahrhaben wollen. Natürlich wusste ich immer, dass einige Leute die Artikel nicht mögen, die ich schreibe, und auch mein Buch „Unser Wien - Arisierung auf Österreichisch“ von manchen als Affront wahrgenommen wurde. Aber dass all das solche Konsequenzen haben würde, das habe ich nicht für möglich gehalten.
Freunde von mir vergleichen den Prozess mit der Dreyfus-Affäre. Und ich muss sagen: Ich fühle mich in Österreich mittlerweile nicht mehr wie in einem europäischen Rechtsstaat, sondern wie in Putins Russland. Aber ich gebe nicht auf. Sobald das Urteil gegen mich am 4. April rechtskräftig wird, wende ich mich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.

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