Sexualunterricht: Der "neue Puff für alle"

Montag, den 25. März 2014, von Birgit Kelle auf theeuropean.de
   
Während die Medien blumige Vorstellungen von Toleranz haben, geht es in den Klassenzimmern der Republik um Dildos, Potenzmittel oder Vaginalkugeln. Eine Aufklärung.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann zeigt sich gesprächsbereit. Kirchenvertreter sind geladen, um über den Bildungsplan zu diskutieren. Ein vorprogrammiertes Possenspiel am Thema vorbei.

Es könnte ja Ausdruck guten Willens sein. Nein, wir wollen diese Option nicht ganz aus dem Spiel lassen, wenn sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann nächste Woche mit ausgewählten Vertretern der Kirche zu einem Gespräch über den Bildungsplan in Baden-Württemberg trifft. Ein wenig spät zwar, aber immerhin. Nach mehreren Demos, die nächste steht am 5. April an, und einer Petition, die fast 200.000 Menschen unterschrieben haben, hätte die Partei, die angetreten ist, mehr Bürgerbeteiligung durchzusetzen, auch früher auf den Gedanken kommen können.

Es drängt sich die Vermutung auf, ginge es hier nicht um Widerstand gegen mehr sexuelle Vielfalt im Unterricht, sondern beispielsweise um einen Bahnhof oder eine seltene Hamsterart, die zwangsweise umgesiedelt werden soll, man hätte wohl früher an den runden Tisch gebeten.

Große Geheimniskrämerei

 

Um die Besetzungsliste dieser Gesprächsrunde wird übrigens große Geheimniskrämerei veranstaltet. Klar ist, Vertreter der evangelikalen Gemeinden sind eingeladen, von ihnen wurde zahlreicher Protest initiiert. Nicht eingeladen sind jedoch die Elterninitiativen, die gerade demonstrieren oder auch ganz banal der Initiator der Petition, der Realschullehrer Gabriel Stängle. Nicht eingeladen sind katholische und auch nicht islamische Vertreter.


Es ist noch nicht lange her, da wurde Altpräsident Christian Wulff für den Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ von Feuilletons und Politik gefeiert, wir diskutieren über Islamunterricht an deutschen Schulen. Wäre es da nicht angebracht, auch die Stimmen der islamischen Gemeinden zur Frage der Sexualerziehung oder auch der Homosexualität an den Tisch zu bitten? Zumal sich viele Muslime an der Protestpetition beteiligt haben. Hier möchte es jemand wohl so aussehen lassen, als sei der anhaltende Widerstand, nur einer versprengten Gruppe strenggläubiger Evangelikalen zu verdanken, während der Rest der Bevölkerung ja völlig einverstanden sei mit dem, was die grün-rote Regierung im Ländle plant.

Nicht zuletzt: Auf die Illusion, mit gemütlichem Kaffeetrinken könnte etwas verändert werden, wenn man doch gar keine Handlungskompetenz oder echtes Mitspracherecht in den Entstehungsprozessen solcher Bildungspläne bekommt, fällt doch nicht wirklich jemand herein. Oder doch? Ja, schön, dass wir mal darüber geredet haben, und jetzt weiter im Tagesgeschäft.

Welches Material wird in den Schulen verwendet?

 

Tatsächlich wird in der Debatte nach wie vor nicht über das wirklich Relevante geredet: die Frage, was in Sachen Aufklärung in einen Bildungsplan für alle Schüler ab Klasse eins gehört. Die Frage, wie weit Sexualkunde und Aufklärung von staatlicher Seite führen muss und was definitiv nicht mehr dazu gehört. Bevor man das Thema Sexualität an den Schulen fächerübergreifend ausweitet, wäre doch eine Bestandsaufnahme des aktuellen Unterrichts angebracht, der mancherorts völlig aus dem Ruder läuft. Und die wichtigste Frage: Wie werden die formulierten Bildungsziele und vor allem auch mit welchem Material in den Schulen in der jeweiligen Klassenstufe umgesetzt?

Während in den Medien nämlich blumige Vorstellungen von Toleranz diskutiert werden, hat kaum jemand eine Ahnung, wie die Umsetzung tatsächlich aussieht. Außer die Schüler und Eltern, die schon schlechte Erfahrungen gemacht haben, aber die will kaum jemand hören. Und so geht es im Wesentlichen gar nicht um die Frage, ob über die Existenz von Homosexualität oder LSBTTI-Variationen geredet werden soll, das wird es schon heute und das ist auch völlig in Ordnung. Interessanter ist vielmehr, welche neue Zielrichtung und Tiefe das Thema bekommen soll und ob dies den Schülern mehr nutzt als schadet.

Dass die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ihre seltsame Broschüre zur sexuellen Vielfalt im Unterricht vorerst zurückgezogen hat, ist ja schön und gut. Bedenklicher ist, dass sie überhaupt in dieser Form entstanden ist und pädagogische Kräfte es offenbar für richtig halten, so etwas als Unterrichtsmaterial einzusetzen. Man könnte sie als missglücktes Einzelstück abtun, gäbe es ähnlichen Unsinn nicht überall in Deutschland.

Was geht in dem Kopf von Menschen vor, die das Berliner Pendant für den Sexualkundeunterricht erstellt haben? Dagegen ist die GEW in Baden-Württemberg Kinderfasching.

Wer hat sich in Berlin die Pantomime-Spiele ausgedacht, in denen Begriffe wie „Darkroom“, „zu früh kommen“, „Sadomaso“ oder „Porno“ von Kindern dargestellt werden sollen als lustige Spieleinheit vor der ganzen Klasse?

Ganz großes Kino

 

Für alle, die immer noch daran glauben, dass Sexualkundeunterricht ja nur aufklären will, weil die Eltern eben zu verklemmt dafür sind, dass Gender Mainstreaming nur so ein Gleichheitsding von Mann und Frau ist und dass die Akzeptanz sexueller Vielfalt im Bildungsplan von Baden-Württemberg ja nur auf ein friedliches Miteinander und weniger Schimpfworte auf Schulhöfen aus ist, empfehle ich die Lektüre von Praxisbüchern, die sich schon längst an die Umsetzung gemacht haben. Während also auf der einen Seite Pädagogen und Jugendhelfer daran arbeiten, die „Generation Porno“ wieder in die Spur zu bringen, um dem Problem zu begegnen, dass Jugendliche Pornografie konsumieren, arbeiten andere daran, den Schulunterricht als Anleitung zum Experimentieren in alle Richtungen zu etablieren.

Ganz großes Kino ist das „Standardwerk“, als solches wurde es Lehrern empfohlen, aus dem renommierten wissenschaftlichen Juventa-Beltz Verlag unter dem Titel „Sexualpädagogik der Vielfalt“.

Eine echte Fundgrube, Baden-Württemberg kann sich schon mal freuen. Zielsetzung ist dort ganz im Sinne von Gender Mainstreaming die „Vervielfältigung von Sexualitäten, Identitäten und Körpern (!)“, aber auch die „Verwirrung“ und „Veruneindeutigung“ der Jugendlichen. Ziel könne auch im „Verstören, im Aufzeigen verschiedener Identitätsmöglichkeiten und im Schaffen neuer Erlebnisräume“ liegen. Erlebnisräume, ja das passt super zum Bildungsplan in Baden-Württemberg, denn die Jugendlichen sollen ja neuerdings im Internet über neue sexuelle Identitäten recherchieren, da wird sich dem ein oder anderen sicher ein großer „Erlebnisraum“ der Sexualität auftun. Nein Mama, ich guck keine Pornos, ich recherchiere Hausaufgaben. Bildung?

Der „neue Puff für alle“

 

Aber so weit muss der Schüler gar nicht gehen, er kann einfach am Alles-kann-nichts-muss-Fachunterricht teilnehmen. Dildos, Potenzmittel (für die Sekundarstufe!), Lack, Leder, Latex, Aktfotos, Vaginalkugeln und Handschellen sollen laut „Sexualpädagogik der Vielfalt“ beispielsweise als Unterrichtsmaterialien von den Schülern „ersteigert“ werden für verschiedene Parteien eines Mietshauses, in dem zwar kein einziges heterosexuelles Paar mit Kindern wohnt, was dem Lebensraum der meisten Kinder in Deutschland am nächsten käme, dafür aber alleinerziehende Mütter, Lesben mit und Schwule ohne Kind, aber auch ein klassisches Heteropaar ohne Kinder. Nicht geklärt ist, wer von ihnen die Handschellen bekommt. Bildung?

Die Schüler können alternativ den „neuen Puff für alle“ kreieren. Auch ganz spaßig. Das Haus soll im Unterricht mit allerlei Zimmern bestückt werden, indem man der pädagogisch wertvollen Fragestellung nachgeht: „Welche sexuellen Vorlieben müssen in den Räumen wie bedient und zufriedengestellt werden?“, wobei explizit verschiedene sexuelle Präferenzen und auch Praktiken benannt werden sollen. Super, wer da in der vierten Klasse schon gut aufgepasst hat, dann sind Blowjob und Cunnilingus keine Fremdworte mehr.

Herrlich auch der Hinweis, dass bei möglichen kritischen Nachfragen von Jugendlichen zum Thema „käufliche Liebe“ die Lehrkraft der Diskussion „die Tiefe nehmen“ soll, „indem sie auf die persönliche Freiheit hinweist, sexuelle Dienste in Anspruch nehmen zu dürfen bzw. diese anzubieten“. Im Klartext: Der Lehrer soll selbst dann noch Prostitution verteidigen, wenn Schüler es kritisch sehen. Na wenn das mal nicht unverkrampft und modern ist!

Sexuelle Aufklärung bereits ab vier Jahren

 

Gender Mainstreaming und das Überdenken der eigenen Geschlechtlichkeit, die sich in der Regel in der bösen „Heteronormativität“ bewegt, soll schon an Kleinkinder herangetragen werden. Sexuelle Aufklärung, natürlich schon im Kindergarten. Gerade hat die Caritas eine Buchempfehlung herausgegeben, wie Gender Mainstreaming im Kindergarten umgesetzt werden soll, damit die eigene Geschlechtlichkeit nicht in Stereotypen hängen bleibt und schon in der Puppenecke dekonstruiert werden kann. Immer noch soll es schließlich Kinder geben, die sich geschlechtsstereotyp beim Spielen zeigen.

Für die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung keine neue Nachricht, dort hat man gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation WHO schon längst die Empfehlung ausgesprochen, dass sexuelle Aufklärung bereits im Alter ab vier Jahren stattfinden soll. Auf UN-Ebene kämpfen entsprechende, vor allem auch feministische Lobbygruppen schon seit Jahren darum, dass „sexuelle und reproduktive Rechte“ schon für Jugendliche gelten, dort setzt man die Altersgrenze ab zwölf Jahren. Im Klartext hier: Kinder ab zwölf sollen bereits ohne Zustimmung der Eltern Zugang zu Verhütungsmitteln und Abtreibung haben. Ja was für ein Fortschritt, am besten gleich im Grundgesetz als Kinderrecht verankern.

Durch sämtliche Publikationen zieht sich wie ein roter Faden das Bedürfnis mancher Pädagogen, Kinder so früh wie möglich mit der eigenen Sexualität zu konfrontieren, diese zu hinterfragen und in neue Richtungen zu öffnen. Wozu? Das Kind als sexuelles Wesen – diese Begrifflichkeit erinnert stark an Kinderladenrhetorik der 68er-Generation. Zahlreiche Eltern haben mir Beispiele geschrieben über den Sexualkundeunterricht ihrer Kinder gerade in der Grundschule. Kinderaussagen wie: „Muss ich wirklich erwachsen werden?“, „Ich will nie was mit einer Frau haben“, als Reaktion auf Aufklärung über sexuelle Praktiken sind nicht ungewöhnlich.
Denn was Erwachsenen bisweilen Spaß macht, ist für Kinder möglicherweise sogar eine absurde Vorstellung. Es werden Schamgrenzen der Kinder durchbrochen, nicht wenigen ist die Thematik unangenehm in ihrer Ausführlichkeit. Wie soll ein Neunjähriger einen Orgasmus begreifen und warum muss er das überhaupt?

Die Freude am Wort „lecken“

 

Als ich in der Sendung „Maischberger“ zu diesem Thema aus einem Zeitungsbericht zitierte, in dem Grundschüler einer Schule in Baden-Württemberg beigebracht bekamen, dass Lesben sich gegenseitig befriedigen, indem sie sich „lecken“, reagierte die Moderatorin hektisch mit der Frage, wie viel Uhr die Sendung ausgestrahlt wird, also mit der Frage, ob dies spät genug ist, damit keine Kinder mehr vor dem Fernseher sitzen. Und der simpel veranlagte Teil der Netzgemeinde freut sich bis heute am Wort „lecken“. Abends im TV ist „lecken“ also ein Problem. Morgens in der Grundschule ist es Bildung. Gut, dass wir das geklärt haben.

Wenn Sie als Erwachsener morgen im Kollegenkreis oder bei der Betriebsfeier ein lustiges Pantomime-Spiel als Eisbrecher vorschlagen, in dem Begriffe wie „Porno“ oder „zu früh kommen“ vor den Kollegen vorgespielt werden sollen, wie wäre die Reaktion? Diskutieren Sie doch mal in der Kaffeepause Ihre sexuellen Vorlieben – Sie hätten vermutlich eine Anzeige wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz am Hals. Ist es nicht auch sexuelle Belästigung von Kindern, ihnen Themen aufzudrängen, die sie noch nicht begreifen? Ihnen Bilder zu zeigen, die ihnen peinlich sind. Jeder Exhibitionist im Park gilt als Belästiger, aber sexuelle Praktiken im Unterricht besprechen zu müssen im Kreise seiner halbwüchsigen Freunde, das soll Bildung sein? Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass dies im Interesse beispielsweise von lesbischen Frauen liegt, die selbst ein Kind großziehen.

Und immer noch ist nicht geklärt: Zu welchem Zweck? Nutzt es den Kindern, dass Ihnen Sexualität als Genussmittel präsentiert wird, das jederzeit und mit jedermann ausprobiert werden kann oder soll? Zunächst hat man die Sexualität von der Fortpflanzung getrennt, inzwischen auch von der Biologie, der Moral und vor allem von der Liebe. Liebesakt? Dass ich nicht lache. Was für ein weltfremdes Wort ist es doch geworden.

Das grün-rote Musterländle

 

Was übrigens mit Kindern geschieht, die den Unterschied zwischen Sex und Liebe nicht mehr kennen, hat der Arche-Gründer Bernd Siggelkow in seinem Buch „Deutschlands sexuelle Tragödie“ schon vor Längerem eindrücklich und erschreckend geschildert. Elfjährige, die sich fragen, ob sie normal sind, weil sie noch nie Sex hatten, Zwölfjährige die mit „Gang-Bang“-Erfahrungen prahlen, und Jungs, die Mädchen sexuell bedrängen, weil sie gar keinen anderen Ausdruck von Zuneigung kennen. So macht man das doch als Erwachsener, nicht wahr?

Unsere Kinder brauchen nicht Zugang zu Sexualität, wir müssen sie eher davor schützen, denn sie ist bereits allgegenwärtig in ihrem Leben. Sie brauchen nicht mehr Gender Mainstreaming als Ersatzreligion, sondern ein Wertegerüst, das sie sicher durch unsere Gesellschaft trägt und in dem Platz ist, Menschen, die anders sind als sie selbst, mit Respekt zu begegnen. Eine ganze Bildungsnation beschäftigt sich also derzeit damit, Kindern möglichst früh und möglichst viele sexuelle Möglichkeiten zu eröffnen, doch nirgendwo scheint Platz zu sein zur Erziehung in der Frage: Wie gründe ich eine glückliche Familie?

Und das, obwohl laut aller Jugendstudien „Heiraten und Kinder kriegen“ an oberster Stelle steht in der Lebensvorstellung der heutigen Jugend. Wir klären also auf über die Frage, wie man Kinder in allen Lebenslagen verhindert, aber nicht darüber, was eigentlich nötig ist, um ein Kind großzuziehen. Wir klären auf, wie man ohne sich Geschlechtskrankheiten einzufangen möglichst früh und auch viele Sexualpartner haben kann, aber nicht darüber, wie man beziehungsfähig bleibt.

Das grün-rote Musterländle Baden-Württemberg plant nun auch gleichzeitig, den Biologieunterricht einzudampfen, denn biologische Erkenntnisse sind einfach nicht opportun, wenn man Gesinnung lehren will und die Naturwissenschaft den sozialen Utopien im Weg steht. Früher war es Bildungsziel, dass Schüler sich selbst eine Meinung bilden lernen. Heute gibt man ihnen gleich die einzig richtige Meinung mit auf den Weg. Eltern sind in diesem System nur noch nervtötende Störfaktoren.

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