Diagnose in der Dämmerung - Probleme bei der Hirntod-Feststellung

Mittwoch, den 12. März 2014, veröffentlicht von Christina Berndt auf Süddeutsche.de
   
Acht falsche Hirntod-Diagnosen innerhalb von zwei Jahren: Ärzte machen auf diesem höchst sensiblen Gebiet zwar selten, aber dennoch zu viele Fehler. Nun streiten Experten, wie sicher die Diagnose ist - und ob neue Untersuchungsmethoden oder mehr Aufklärung vonnöten sind. 

"Ihre Frau ist jetzt tot. Auch wenn Ihnen das nicht so vorkommt, weil sie noch beatmet wird und das Herz schlägt: Ihr gesamtes Gehirn ist ausgefallen. Sie wird nicht mehr ins Leben zurückkehren." So oder so ähnlich teilen Ärzte Menschen mit, dass bei ihren Angehörigen der Hirntod eingetreten ist. Dass sie sich jetzt dazu entschließen könnten, die Organe des Verstorbenen für die Spende freizugeben.

Aber können die Angehörigen der Diagnose vertrauen? Darüber streiten Fachleute noch intensiver als bisher, seit acht Fälle aus der Zeit zwischen Mai 2011 und März 2013 aufgetaucht sind, in denen Ärzte den Hirntod regelwidrig festgestellt haben (SZ vom 18.2.14).

In diesen acht Fällen aus Bayern und Nordrhein-Westfalen fiel die ungültige Diagnose noch auf, bevor es zur Organentnahme kam. In einem weiteren, länger zurückliegenden Fall wurden jedoch trotz Fehlern bei der Hirntodfeststellung einem Kleinkind Organe entnommen. Zwar versicherten Fachleute später, das Kind sei trotz der mangelhaften Diagnostik tot gewesen. Dennoch stellt sich die Frage: Müsste nicht verlangt werden, dass Ärzte vermehrt technische Hilfsmittel anwenden, um ihre Einschätzung abzusichern?

Die für die Qualität der Hirntoddiagnostik verantwortliche Bundesärztekammer betont: Die Qualität sei "gesichert und sehr hoch". Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) räumt zwar ein, "Fehler seien nicht zu hundert Prozent vermeidbar", aber ihre Zahl extrem niedrig. So seien mit sechs regelwidrigen Hirntodfeststellungen aus Bayern nur 0,67 Prozent der Diagnosen des entsprechenden Zeitraums fehlerhaft gewesen. Zudem seien die Fehler rechtzeitig entdeckt worden.

Auch Stefanie Förderreuther vom Neurologischen Konsiliardienst der Universität München ist überzeugt: "Die Diagnose des Hirntodes ist die sicherste Todesdiagnose in der Medizin." Die Neurologin wird immer wieder hinzugerufen, wenn Ärzte bei der Hirntodfeststellung unsicher sind. "Die Ärzte gehen extrem sorgfältig und gewissenhaft vor und fragen bei Unsicherheiten nach", sagt Förderreuther.

Zwar räumt auch sie ein: "Es gibt kein System, das stets fehlerfrei arbeitet." Eben deshalb verlangten die Richtlinien der Bundesärztekammer, dass zwei Ärzte unabhängig voneinander die Diagnose stellen. Fehleinschätzungen durch die ersten Untersucher kämen vor. Aber diese würden bei der Zweituntersuchung auffallen. Außerdem habe sie in 25 Jahren keinen einzigen Fall erlebt, in dem Patienten mit einer falschen Erstdiagnose ihre Hirnverletzung überlebt haben.

Es mangelt an Erfahrung 

Andere Fachleute meinen hingegen, es seien schlicht zu viele Fehler - zumal auch Zweitgutachter Fehler machten. Und bei den 0,67 Prozent handele es sich nur um jene Fälle, die an die Öffentlichkeit gelangt sind. "Man muss sich einmal vorstellen, es gäbe in einer Klinik eine solche Fehlerquote beim Zurücklassen von Tupfern oder Instrumenten im Körper des Patienten - niemand würde sich dort mehr operieren lassen", sagt Christoph Goetz, neurochirurgischer Chefarzt in Hamburg mit langjähriger Erfahrung in der Hirntoddiagnostik. [...]

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