Sonntag, den 26. Januar 2014, Quelle: swr.de
Ballaststoffe in der Nahrung gelten als sehr gesund und sollten, wenn es
 nach den allgemeinen Ernährungeempfehlungen geht, Teil jeder Ernährung 
sein. Denn angeblich stimulieren sie die Verdauung, schützen vor 
Darmkrebs und senken überhöhte Cholesterinwerte. Doch was sich so gut 
anhört, können neueste Studien nur sehr vage bis gar nicht belegen.
Ganz im Gegenteil können hohe Ballaststoffmengen über Jahre hinweg uns sogar krank machen.
 Die Innsbruckerin Kathrin Lukschandel ist da kein Einzelfall. Seit 
Jahren achtet sie auf gesunde Ernährung und isst - laut Empfehlung - 
sehr ballaststoffreich. Am liebsten mag sie morgens ihr Müsli mit viel 
frischem Obst und einem Schuss Joghurt. Allerdings hat die gesunde Kost 
bei ihr eher unerwartete Folgen: "Wenn ich in der Früh schon mit 
Vollkronbrot und ganz normalem Müslifrühstück beginn, dann ist das 
meistens so, dass ich's nach ein bis zwei Stunden im Magen schon spür. 
Es geht dann in den Bauch runter und kann Krämpfe auslösen. Das kann 
zwei Stunden oder auch drei Tage dauern", beschreibt die 26-jährige ihr 
Problem, das ihr seit knapp drei Jahren zu schaffen macht.
                     
Rechnung meist ohne den Darm gemacht
Fälle wie diesen erlebt der Innsbrucker Ernährungsmediziner Professor Maximilian Ledochowski sehr oft. Bei den Untersuchungen stellt er fest, dass der Darm seiner Patienten größere Ballaststoffmengen nicht mehr bewältigen kann.
 Nach seiner Erkenntnis übertreiben wir es heute mit der so genannten 
"gesunden Ernährung". Wer wie Kathrin Lukschandel versucht, sich an die 
Empfehlungen zu halten, hat die Rechnung meist ohne den Darm gemacht.
"Das Kernproblem liegt darin, dass eine Empfehlung ausgegeben 
wird, viele Ballaststoffe zu essen", erklärt Prof. Ledochowski. "Jetzt 
versucht die Lebensmittelindustrie, ihre Produkte wertvoller zu machen 
und reichert diese mit Ballaststoffen an. Wenn das ein 
Hersteller macht, ist das in der Regel kein Problem. Wenn aber alle oder
 die meisten Lebensmittelhersteller auf diesen Zug aufspringen, haben 
wir in der Summe zu viel Ballaststoffe. Und das führt dann zu 
Bauchbeschwerden, Reitzdarmsymptomatik, Blähungen und so weiter." Sind 
Ballaststoffe also doch nicht so gesund? Woher kommt dann der Glaube, 
sie seien ein idealer Schutz vor Darmkrebs?
Angefangen hat alles mit dem britischen Tropenarzt Denis Burkitt Ende 
der 60er Jahre. Er beobachtete, dass afrikanische Ureinwohner mehr 
faserreiche Nahrung aßen als Europäer. Sie hatten mehr Stuhlgang und 
erkrankten viel seltener an Darmkrebs. Er schloss daraus, dass eine 
ballaststoffreiche Ernährung bestimmte Krankheiten verhindern könne. 
Burkitts falsche Hypothese wurde zur allgemeinen Lehrmeinung.
Täglich 21 Schüsseln Salat
Bis heute empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung mindestens 
30 Gramm Ballaststoffe am Tag. Die stecken zum Beispiel in je 30 
Vollkornzwiebäcke, 17 gehäuften Esslöffeln Weizenkeimen, 30 Esslöffeln 
Früchtemüsli, anderthalb Kilo Äpfeln, 750 Gramm Cornflakes oder 21 
Schüsseln Salat. Und das, obwohl neuere Studien den Mythos vom positiven
 Effekt der Ballaststoffe längst zerplatzen ließen. "Es gab ursprünglich
 Studien, die gezeigt haben, dass Ballaststoffe vor Darmkrebs schützen",
 erklärt Prof. Ledochowski. "In letzter Zeit sind gut publizierte 
Studien und großangelegte Studien durchgeführt worden, die diesen 
Zusammenhang nicht bestätigen konnten. Das heißt: Möglicherweise quält 
man die Patienten unnötig mit hohen Ballaststoffanteilen in ihrer 
Nahrung."
Auch die cholesterinsenkende Wirkung hat sich nicht bestätigt.
 Ebenso wenig wie der Schutz vor Osteoporose. Im Gegenteil: 
Ballaststoffe binden Kalzium ab und hemmen dadurch dessen Aufnahme. 
Somit kann das Kalzium, das in der Osteoporoseprophylaxe so hoch 
gepriesen wird, seine Wirkung nicht entfalten. Wer, wie Kathrin 
Lukschandel, über Jahre hinweg große Ballaststoffmengen isst, kann sogar
 krank werden. Denn sie sind keineswegs nur unnötiger Ballast, der den 
Körper unverändert wieder verlässt. Ballaststoffe wandern in den 
Dickdarm und werden dort von Bakterien größtenteils vergoren. Dabei 
entstehen Gase - unter anderem Kohlendioxid. Je mehr Ballaststoffe wir essen, um so mehr blähen die Gase den Dickdarm auf.
 So stark, dass die Klappe zwischen Dick- und Dünndarm nicht mehr 
richtig schließt. Der Nahrungsbrei fließt zurück in den Dünndarm. Dort 
verursachen die Dickdarmbakterien heftige Abwehrreaktionen. Es kommt zu 
einer Entzündung.
Ständige Entzündung im Darm
Diese ständige Entzündung im Darm macht auch Kathrin Lukschandel zu schaffen. Immer wieder leidet sie unter Verstopfung, Blähungen oder Durchfall
 und braucht ärztliche Behandlung. "Diese Reizdarmsyndrome werden nach 
der derzeitigen Lehrmeinung als sehr harmlos hingestellt", erklärt Prof.
 Maximilian Ledochowski. "Es darf aber nicht vergessen werden, dass 
Reizdarmsyndrome mit ganz milden Entzündungsreaktionen einhergehen. Und 
diese Entzündungsreaktionen können sekundär zu Krankheiten führen wie 
Diabetes, wie Übergewicht, wie Depressionen - alles Erkrankungen, die 
wir als Zivilisationserkrankungen kennen."
Die gängigen Ernährungsempfehlungen passen nun mal nicht auf jeden. Für 
Kathrin Lukschandel war es zu viel Ballast. Was als gesund gilt, muss 
sie jetzt weglassen. Nur dann geht es ihr gut: "Am besten geht's mir, wenn ich viel Fleisch esse und wenig als Beilage dazu.
 Wenig Nudeln, wenig Reis, ein bisschen Salat, etwas Gemüse. Da muss ich
 aber auch aufpassen, das muss ziemlich durchgekocht sein. Viel Fleisch, Wurst, Käse - also das, wovon man eigentlich sagt das ist ungesund, das tut mir gut."
Untersuchung auf andere Unverträglichkeiten
Der Ernährungsmediziner Maximilian Ledochowski untersucht bei seinen 
Behandlungen stets, ob neben der Ballaststoff-Unverträglichkeit noch 
andere Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten vorliegen: "Dann wird man eine
 entsprechende Diät einhalten. Wenn man damit nicht auskommt, ist es 
manchmal in seltenen Fällen notwendig, dass man die Darmflora mit 
Antibiotika zerstört und nachher wiederum neu aufbauen lässt. Dann 
sollte es den Menschen in vielen Fällen besser gehen."
Essen ohne Ballaststoffe? Das klappt nicht einmal bei Kathrin 
Lukschandel, denn Ballaststoffe sind in den meisten Lebensmitteln 
enthalten. Allerdings gibt es auch keinen Grund, Ballaststoffe zu 
verteufeln. Jeder Mensch reagiert schließlich anders. Daher ist es auch besser, auf den eigenen Körper zu hören anstatt auf allgemeine Ernährungsempfehlungen
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